Details
Gerhard Richter
(Dresden 1932 geb.)
Abstraktes Bild (432/8)
Öl auf Holz
50 x 50 cm
1978
rückseitig nummeriert, signiert und datiert: 432/8 Richter 78
Das Gemälde Nr. 432/8 war im ersten Katalog der Galerie Fred Jahn “Abstrakte Bilder 1976-1981“ (Ausstellung Kunsthalle Bielefeld und Mannheimer Kunstverein 1982) auf S. 125 farbig abgebildet.
Provenienz: Galerie Fred Jahn München, seit Anfang der 1980er Jahre Privatsammlung Wien
The painting can be hung in two different ways . In Gerhard Richter’s online catalogue raisonné a different possibility was given preference . After consultation with the artist, we have opted for this alternative .
Gerhard Richter hat sich seit den 1970er Jahren intensiv mit der Abstraktion auseinandergesetzt. Schon seit Beginn seines Schaffens stellte sie für ihn die größte künstlerische Herausforderung überhaupt dar. Als Richter 1959 zur documenta II nach Kassel reiste, faszinierten ihn vor allem die Arbeiten Jackson Pollocks. Doch es dauerte lange, bis er sich die in Kassel gesehenen Anregungen aneignete und künstlerisch umsetzte. Und schon seine ersten Abstraktionen unterschieden sich ganz wesentlich von denen anderer abstrakter Maler. Denn trotz ihrer Dynamik und Farbigkeit haben sie wenig gemein mit der subjektiven Gestik des Abstrakten Expressionismus oder des deutschen Informel.
Gerhard Richter trägt wohlüberlegt auf der Leinwand Farbschicht für Farbschicht auf, schabt Stellen ab, spachtelt und zieht eine neue Farbe auf. Wo immer ein Eindruck von Spontaneität vermittelt wird, muss man sich bewusst sein, dass diese Bilder in der Regel sehr langsam entstehen. Der Künstler würde niemals mit einem Pinsel zur Leinwand gehen und unmittelbar zu malen beginnen. Jedem Werk geht eine Phase der Planung und Überlegung voraus. Richter hat oft betont, wie wichtig ihm das konzeptionelle Arbeiten ist: „Bei konzeptioneller Kunst ist die Idee … der wichtigste Aspekt der Arbeit. Das heißt, dass alle Pläne und Entscheidungen im Voraus erledigt werden.“
Dennoch will Richter konzeptionelles Handeln als Voraussetzung für die Entstehung eines Bildes nicht als ein rein rationales Verfahren missverstanden wissen: „Das jeweilige Bild soll sich in einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben.“ Trotz der Konzeption bleiben also Intuition und das Prinzip des Zufalls für Gerhard Richters abstrakte Bilder wesentliche Voraussetzungen. Deshalb sprechen die abstrakten Bilder – trotz der Konzeption als Entstehungsbasis und der konzeptionell angelegten Arbeitsweise – mit ihrer sinnlichen Präsenz und Dynamik der Farben vor allem und zuerst die emotionale Ebene des Betrachters an.
Über das Prinzip des Zufalls sagte Gerhard Richter in einem Interview 1990: „Ich habe eben nicht ein ganz bestimmtes Bild vor Augen, sondern möchte am Ende ein Bild erhalten, das ich so gar nicht geplant hatte. Meine Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt einen gewissen Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Ich möchte ja gern etwas Interessanteres erhalten als das, was ich mir ausdenken kann.“
In der künstlerischen Praxis bedeutet das, dass sich der Farbauftrag mit dem Rakel (einer Art Schaber, Kratzeisen oder Abstreichholz, Richters bevorzugtem Instrument bei abstrakten Bildern) nur bedingt steuern lässt. Vorgegeben sind die Zusammenstellung und die Idee der Schichtung, doch wie und wo eine Farbe eine andere Farbschicht überdeckt oder frei lässt, ist mehr oder weniger zufällig.
Alle abstrakten Bilder Gerhard Richters leben von einer illusionistischen Räumlichkeit, von der Vielschichtigkeit der Farben und der Dynamik der Strukturen. Innerhalb seines Œuvres nehmen die abstrakten Bilder einen besonderen Stellenwert ein – dem auch der Kunstmarkt Rechnung trägt: Seine teuersten Bilder sind allesamt Abstraktionen, etwa das 2015 bei Sotheby’s London um mehr als 36 Millionen Euro versteigerte Gemälde. Seine Bilder sind damit die teuersten eines lebenden Künstlers auf dem Kunstmarkt.
Jenseits solcher Fakten stehen Bilder, vor denen man verharrt, immer wieder ein neues Detail entdeckt oder sich meditativ versenkt. Bei jeder Annäherung scheinen diese Bilder von neuem zu entstehen. Immer wieder geben sie ein neues Detail, ein neues Geheimnis preis. Gerhard Richters abstrakte Bilder veranschaulichen eine Wirklichkeit, die wir im Grunde nur erahnen können.